Wer als Unternehmer beginnt, sich mit einem möglichen Verkauf oder einer Nachfolgelösung zu beschäftigen, stößt schnell auf eine zentrale Frage: Was ist mein Unternehmen eigentlich wert?
Die Antwort darauf wirkt auf den ersten Blick technisch. Fachbücher, Steuerberater und Online-Rechner liefern unterschiedlichste Bewertungsverfahren, Formeln und Modelle. Spätestens an dieser Stelle entsteht oft Unsicherheit: Warum kommen unterschiedliche Methoden zu so stark abweichenden Ergebnissen? Und vor allem: Welcher Wert ist am Ende relevant, wenn ein Käufer tatsächlich einen Preis bezahlt?
In unserer Beratungspraxis bei Venture Advisory Partners beobachten wir regelmäßig, dass Unternehmer mit sehr hohen Erwartungen in einen Verkaufsprozess starten – Erwartungen, die häufig aus theoretischen Bewertungsmodellen gespeist werden. In der Realität von M&A-Transaktionen im KMU-Segment werden diese Werte jedoch selten erzielt. Das führt zu Enttäuschung, Verhandlungsabbrüchen oder langen, zermürbenden Verkaufsprozessen.
Dieser Beitrag verfolgt daher ein klares Ziel:
Er soll Unternehmern helfen, den Unternehmenswert praxisnah, marktorientiert und realistisch einzuordnen – und die Bewertungsmethoden zu verstehen, die in echten Deals tatsächlich eine Rolle spielen.
Grundsätzlich lassen sich die gängigen Verfahren zur Unternehmensbewertung in zwei große Kategorien einteilen:
Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Entscheidend ist jedoch der Anwendungszweck. Ein Unternehmenswert für steuerliche Zwecke, Gesellschafterstreitigkeiten oder interne Planungen folgt anderen Logiken als ein Wert, der in einer realen Verkaufssituation gegenüber professionellen Käufern Bestand haben muss.
Gerade im deutschen Mittelstand wird dieser Unterschied häufig unterschätzt.
Die Discounted-Cashflow-Methode gilt in der Finanztheorie als „Königsweg“ der Unternehmensbewertung. Der Grundgedanke ist bestechend logisch: Der Wert eines Unternehmens ergibt sich aus den künftig erwarteten freien Cashflows, diskontiert auf den heutigen Zeitpunkt.
In der Praxis hängt das Ergebnis jedoch von einer Vielzahl sensibler Annahmen ab:
Schon minimale Veränderungen einzelner Parameter können den errechneten Wert um Millionen verschieben. Genau hier liegt das Kernproblem – insbesondere im KMU-Umfeld.
Aus unserer Erfahrung sind belastbare, langfristige Businesspläne im Mittelstand eher die Ausnahme als die Regel. Viele Unternehmen sind stark inhabergeprägt, abhängig von einzelnen Kunden, Märkten oder Personen. Zukunftsprognosen über zehn Jahre sind in solchen Strukturen zwangsläufig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
Mehrere praxisorientierte Autoren kritisieren daher, dass DCF-Modelle im Mittelstand oft weniger eine realistische Abbildung der Zukunft darstellen, sondern eher ein Rechenmodell für Wunschvorstellungen. Der resultierende Wert wirkt zwar fundiert, ist aber gegenüber Käufern schwer zu verteidigen.
In Verkaufsprozessen zeigt sich regelmäßig ein wiederkehrendes Muster:
Der rechnerische DCF-Wert liegt signifikant über dem Preis, den Käufer tatsächlich bereit sind zu zahlen.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
In unserer Beratungspraxis bei Venture Advisory Partners erleben wir, dass Käufer DCF-Modelle zwar zur Kenntnis nehmen – sie aber selten als preisbestimmend akzeptieren. Vielmehr dienen sie als grobe Orientierung oder als Argumentationsgrundlage, nicht als verbindlicher Wertanker.
Im Gegensatz dazu basiert das Multiplikator-Verfahren auf einer einfachen, aber entscheidenden Frage:
Welche Preise wurden für vergleichbare Unternehmen tatsächlich bezahlt?
Typischerweise wird dabei ein Vielfaches auf eine Ergebniskennzahl angewendet, zum Beispiel:
Gerade im KMU-Segment hat sich das EBITDA-Multiple als zentrale Referenzgröße etabliert. Der Grund ist pragmatisch: Es ist relativ leicht vergleichbar, weniger anfällig für bilanzielle Effekte und wird von nahezu allen professionellen Käufern aktiv genutzt.
Aus Sicht eines M&A-Praktikers sprechen mehrere Argumente klar für den Einsatz von Multiplikatoren:
In vielen Verkaufsprozessen zeigt sich, dass der final erzielte Kaufpreis zwar individuell verhandelt wird – sich aber fast immer innerhalb eines marktüblichen Multiple-Korridors bewegt. DCF-Werte liegen dagegen häufig außerhalb dieser Spanne.
Ein häufiger Einwand lautet: „Multiples sind doch viel zu pauschal.“
Das ist nur teilweise richtig.
Ein Multiple ist kein fixer Wert, sondern eine Bandbreite, die stark von Faktoren abhängt wie:
Genau hier liegt der Hebel für Unternehmer: Nicht das Rechenverfahren entscheidet über den Wert, sondern die Qualität und Nachhaltigkeit des Ergebnisses, auf das der Multiple angewendet wird.
In unserer Erfahrung ist das Multiplikator-Verfahren deshalb kein grobes Instrument, sondern ein Spiegel der Marktlogik. Es zwingt Verkäufer dazu, sich mit den Faktoren auseinanderzusetzen, die Käufer tatsächlich honorieren.
Der zentrale Fehler vieler Unternehmer besteht darin, Bewertungsmethoden miteinander zu verwechseln oder falsch einzuordnen. DCF ist nicht „falsch“, Multiples sind nicht „unwissenschaftlich“. Sie dienen schlicht unterschiedlichen Zwecken.
Wer seinen Unternehmenswert im Hinblick auf einen möglichen Verkauf ermitteln möchte, sollte sich eine ehrliche Frage stellen:
Welcher Wert ist am Markt durchsetzbar – nicht welcher rechnerisch ableitbar ist?
Aus Sicht von Venture Advisory Partners liegt die Antwort im KMU-Segment fast immer näher am Multiplikator-Ansatz als an komplexen Barwertmodellen.
Um den Unterschied zwischen theoretischem Unternehmenswert und marktlich erzielbarem Preis greifbar zu machen, betrachten wir ein bewusst fiktives, aber in Struktur und Zahlen typisches Beispiel aus dem deutschen Mittelstand.
Der Unternehmer möchte sich im Zuge der Altersnachfolge orientieren und lässt zunächst eine DCF-Bewertung zur Ableitung des Unternehmenswerts erstellen.
Das Modell folgt einer klassischen, sauberen DCF-Logik:
Für den Terminal Value wird – optimistisch, aber theoretisch zulässig – eine ewige Rente unterstellt:

Trotz des vergleichsweise hohen Diskontierungszinssatzes führt die Kombination aus:
zu einem überraschend hohen Ergebnis:
➡️ Enterprise Value (DCF): ca. 28–32 Mio. EUR
➡️ implizit: >12x EBITDA
Ein Großteil dieses Werts entfällt – wie in vielen DCF-Modellen – nicht auf die Detailplanungsphase, sondern auf den Terminal Value. Genau hier liegt der Kern der späteren Diskussion.
Rechnerisch ist das Modell sauber. Investitionstheoretisch lässt sich das Ergebnis argumentieren. Für den Unternehmer wirkt der Wert nachvollziehbar – schließlich basiert er auf der nachhaltigen Ertragskraft des Unternehmens.
Wird dieses Unternehmen gedanklich in einen Verkaufsprozess gestellt, zeigt sich jedoch sehr schnell ein Bruch zwischen Theorie und Markt:
Entscheidend:
Kein Käufer ist bereit, für eine „ewige“ Unternehmensfortführung zu bezahlen, wenn er operativ und finanziell reale Risiken trägt.
Unabhängig vom DCF-Ergebnis bewegen sich die realistischen Preisvorstellungen in einem deutlich engeren Rahmen:
Damit liegt der durchsetzbare Marktwert rund 50 % unter dem DCF-Enterprise-Value, obwohl das Modell fachlich korrekt gerechnet ist.
Der Grund liegt in der Marktpsychologie und der Risikobepreisung.
Dieses fiktive Szenario zeigt sehr deutlich:
Oder anders formuliert:
DCF erklärt, wie wertvoll ein Unternehmen sein könnte, wenn alle Annahmen eintreffen.
Multiples entscheiden, was jemand heute dafür bezahlt.
Gerade deshalb ist es für Unternehmer entscheidend, den eigenen Unternehmenswert frühzeitig nicht nur theoretisch, sondern marktlich realistisch einzuordnen – bevor sich Erwartungen verfestigen, die später kaum durchsetzbar sind.




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